Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen haben zahlreiche Sportler*innen erfinderisch gemacht. Laufen? Das war sogar für Jogging-Muffel plötzlich eine echte Alternative, um gesund und fit zu bleiben. Sie nahmen also ihre Beine in die Hand und liefen los. Erst fünf Kilometer, dann zehn – immer weiter und weiter. Vielleicht empfanden sie dabei ja auch das legendäre Runner’s High. Ein Gefühlszustand, von dem so viele Läufer häufig sprechen.
Verschiedenen Statistiken zufolge gibt es in Deutschland etwas weniger als 20 Millionen Läufer*innen. Die Gründe, einfach mal die Laufschuhe zu schnüren und loszulaufen, sind so vielfältig wie die Läufer*innen selbst. Den einen geht es um den physischen Aspekt und die positiven Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit. Die anderen wollen nach einem stressigen Arbeitstag hingegen einfach in die Natur abbiegen und abschalten, den Kopf freibekommen.
Ob der Mythos Runner’s High dabei ebenfalls eine Rolle spielt? Immer wieder berichten vor allem Langstreckenläufer*innen von besonderen Empfindungen. In der Fachliteratur wurde sogar schon einmal von einem Ultramarathonläufer geschrieben, der Büsche und Bäume in der Gestalt eines Dinosauriers wahrgenommen haben soll.
Das steckt hinter dem Runner’s High
Wie der Name schon vermuten lässt, handelt es sich beim Runner’s High um ein Hochgefühl während des Laufens. Durch verschiedene Prozesse im Körper kommt es zu Rauschempfindungen, die von den Betroffenen als beflügelnd wahrgenommen werden. Die Tortur fällt ihnen plötzlich leichter und sie scheinen förmlich über den Boden zu schweben.
Der deutsche Sportpsychologe Oliver Stoll hat das Runner’s High mit dem bekannten „Flow“ verglichen und in einem Interview mit den folgenden Worten beschrieben:
„Läufer können in eine Situation kommen, in der sie völlig in dem aufgehen, was sie gerade machen. Das ist ein Gefühl, als ob alles fließt.“
(Oliver Stoll, Sportpsychologe)
In Einzelfällen kann es auch bei anderen aeroben Sportaktivitäten zu ähnlichen Gefühlszuständen kommen. Beispielsweise ist es möglich, auch beim Radfahren oder Rudern das Hochgefühl zu erleben. Meistens geht man allerdings von einem Runner’s High – wie der Name schon sagt – beim Laufen aus.
Wie entsteht der „Laufrausch“?
Wer schon immer einmal „high“ sein wollte, sollte sich nun aber keine falschen Hoffnungen machen. Um den besonderen Zustand zu empfinden, müssen Höchstleistungen erbracht werden. Der Zustand tritt – wenn überhaupt – erst ab einer Belastungsintensität von etwa 80 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme auf. Ab diesem Zeitpunkt wird die nötige Menge stimulierender (Glücks-)Hormone ausgeschüttet.
Zum Rausch kommt es dann, wenn die Belastung kurzzeitig zurückgenommen wird und die tatsächliche Menge an stimulierenden Hormonen den eigentlichen Bedarf übertrifft. „Die Produktion und Ausschüttung von Hormonen kann von Mensch zu Mensch jedoch sehr variieren“, sagt Laufexperte Martin Grüning. Daher könne es vorkommen, dass bei einer gemeinsamen Laufrunde nicht jeder Läufer zum gleichen Zeitpunkt ein Runner’s High empfindet.
„Die Produktion und Ausschüttung von Hormonen durch den Organismus kann von Mensch zu Mensch stark variieren.“
(Martin Grüning, Laufexperte)
Stichwort Hormone: Jahrelang galt die Annahme, dass das Glückshormon Endorphin hauptsächlich für die Entstehung eines Runner’s High verantwortlich ist. Wissenschaftler aus Mannheim und Hamburg vermuten mittlerweile jedoch, dass die körpereigenen Endocannabinoide eine zentrale Rolle spielen.
Anders als die Endorphine können Endocannabinoide nämlich die Blut-Hirn-Schranke passieren und damit ekstatische Gefühlszustände auslösen. Ihre Annahmen belegten die Forscher durch eine Untersuchung an Mäusen. Zwar lassen sich bei den Tieren keine Glücksgefühle nachweisen. Andere Begleiterscheinungen eines Runner’s High – nämlich eine geringere Schmerzempfindlichkeit und Angst – hingegen schon.
So fühlt sich ein Runner’s High an
Man muss es wohl selbst erleben, um nachvollziehen zu können. In den Berichten einiger Läufer*innen, die den Mythos erfahren haben wollen, tauchen aber immer wieder diese Kennzeichen auf:
- Zustand grenzenlosen Glückes
- eins sein mit sich und der Umwelt
- keine Schmerzempfindung trotz größter Anstrengung
- völlige Befreiung mit dem Gefühl, stundenlang laufen zu können
- Gefühl der Schwerelosigkeit
Aufgrund dieser befriedigenden Stimmungen kann ein Runner’s High – zumindest indirekt – auch gefährlich werden. Wenn sich beispielsweise Entzugssymptome einschleichen, können die Betroffenen aggressiv und launisch werden. „Sie versuchen dann alles, um Sport zu treiben und vernachlässigen das eigene Umfeld“, sagt Sportpsychologe Heiko Ziemainz von der Universität Erlangen-Nürnberg.
Trainingstipps: So klappt’s im Alltag
Grundvoraussetzung für das wunderbare Gefühl ist ein kurzzeitiger Wechsel von extremer Belastung und Entspannung. Es bietet sich daher an, über einen gewissen Zeitraum ein sogenanntes Intervalltraining durchzuführen. Dies könnte in etwa so ausschauen:
- fünf Minuten entspannt joggen
- eine Minute mit hohem Tempo laufen
- den gesamten Körper (Arme, Beine, Knie) „mitnehmen“
- alles sechs- bis achtmal wiederholen (Gesamtdauer von etwa 35 bis 45 Minuten)
Auch ohne Rausch: Diese Vorteile bringt Laufen
Auch ohne Runner*s High sollten Arbeitnehmer*innen, die etwas für ihre Gesundheit tun wollen, regelmäßig laufen. Sofern es zu keinerlei Gelenkbeschwerden kommt, können wiederholte Laufeinheiten folgende Vorteile bringen:
- Weniger Stress
Inmitten der Natur abschalten und den Gedanken freien Lauf lassen – klingt das nicht wunderbar? Das optimale Tempo für den Stressabbau richtet sich nach der maximalen Herzfrequenz. Wer mit Pulswerten von 65 bis 75 Prozent des Maximums unterwegs ist, wird garantiert Stress abbauen. - Bessere Ausdauer
Während des Laufens wird der Körper mit deutlich mehr Sauerstoff versorgt. Automatisch lernt er dabei, wie es auch künftig gelingt, den Sauerstoff bestmöglich in die Muskeln zu transportieren. Wer regelmäßig läuft, verbessert diesen Prozess und darf sich über eine erhöhte Ausdauer freuen. - Mehr Kreativität
Besonders wichtig für alle Arbeitnehmer*innen: Durch das Laufen wird man auch kreativer! Denn beim Laufen (vor allem an der frischen Luft) erhöht sich die Sauerstoffkonzentration im Blut. Studien haben sogar bewiesen, dass bereits zügiges Gehen die Gehirnleistung und Kreativität erhöhen kann. - Starke Knochen und Gelenke
Wiederum andere Studien haben den Zusammenhang von Laufen und Knochendichte untersucht. Das Ergebnis: Laufen kann das Risiko für Osteoporose um bis zu 40 Prozent senken. Sogar die Gefahr einer Arthrose-Erkrankung kann reduziert werden. Wichtig vor allem für Anfänger ist jedoch, beim Einstieg ein paar Tipps zu befolgen. - Laufen verbessert die Spermienqualität
Forscher der Universität Gießen haben tatsächlich herausgefunden, dass regelmäßige Laufeinheiten die Qualität von Spermien verbessern kann. Die Spermien von Läufern waren nicht nur seltener entzündet. Sie waren außerdem beweglicher und besser aufgebaut.